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Frankreich Deutschland 1870-1871 Der krieg, die pariser kommune, die erinnerungen  Ausstellung vom 13. April bis 30. Juli 2017
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Ausstellung vom 13. April bis 30. Juli 2017 Frankreich Deutschland
1870-1871
Der krieg, die pariser kommune, die erinnerungen 
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 Charles Winter
Straßburg, Faubourg-de-Pierre nach der Bombardierung, 1870
Musée d’art moderne et contemporain de Strasbourg
© Musée de Strasbourg / M.Bertola

Präsentation

Der Deutsch-Französische Krieg 1870–1871 geriet durch die beiden Weltkriege in Vergessenheit, sodass heute sowohl auf französischer als auch auf deutscher Seite wenig über diesen Konflikt bekannt ist. Für die Beziehung zwischen den beiden Ländern und die Zukunft Europas spielte diese Auseinandersetzung jedoch eine wesentliche Rolle.
Das Jahr, von Victor Hugo als Année Terrible bezeichnet, endete mit einem Bürgerkrieg – der Pariser Kommune –, der keine Laune der Geschichte war, sondern das Ergebnis eines Prozesses, zu dem die aufgestauten sozialen Spannungen und die von der französischen Niederlage ausgelöste patriotische Erhebung beigetragen haben.

Die Ausstellung möchte einen neuen Blick auf den Krieg von 1870/1871 werfen, indem sie ihn mit Zeugnissen aus jener Zeit und Retrospektiven aus der Sicht der beiden Nationen schildert und den Konflikt in zwei längeren Zeiträumen verortet: einerseits von 1864, dem Beginn der deutschen Einigungskriege, bis 1875, dem Jahr der sogenannten Krieg-in-Sicht-Krise, und andererseits von 1813, dem Jahr der Befreiungskriege, über den Wiener Kongress von 1815 bis zu den Versailler Verträgen 1919.

Die Zeugen und Akteure des Konflikts hinterließen zahlreiche Spuren in Kunst, Literatur oder öffentlichem Raum, wie zum Beispiel das Viertel La Défense im Westen von Paris oder die Siegessäule und die Straße der Pariser Kommune in Berlin. Im Ausstellungsrundgang werden die Ereignisse durch verschiedenste Objekte, Gemälde, Skulpturen sowie eine außergewöhnliche Sammlung historischer Fotografien vor Augen geführt und erläutert. Ebenso werden die wichtigen Entwicklungen auf politischer, diplomatischer, militärischer, ideologischer, sozialer, wirtschaftlicher oder auch religiöser Ebene aufgezeigt.

Wussten sie, dass ...?

La Défense: Das Viertel ist nach dem Denkmal La Défense de Paris (Die Verteidigung von Paris) von Louis-Ernest Barrias benannt, die sich an der einstigen Straßenkreuzung von Courbevoie befindet, von wo aus französische Verbände am 19. Januar 1871 in die zweite Schlacht bei Buzenval aufbrachen. Der Schlacht wird heute mit einer Straße und eine Metro-Station gedacht.

Straße und Metro-Station "Quatre-Septembre": Es handelt sich um den 4. September des Jahres 1870, dem Datum der Ausrufung der Dritten Republik durch Léon Gambetta im Pariser Rathaus.

Place Denfert-Rochereau: Dieser Platz, der früher den Namen "Place d‘Enfer" (Platz der Hölle) trug, ist nach dem Kommandanten Pierre Philippe Denfert-Rochereau benannt. Dieser hatte im Jahre 1870 die Festung Belfort 103 Tage (von 3. November 1870 bis 18. Februar 1871) gegen die Belagerung durch deutsche Truppen verteidigt. Die Statue in der Mitte des Platzes ist eine verkleinerte Nachbildung des monumentalen Löwen von Belfort des elsässischen Bildhauers Auguste Bartholdi.

Downloaden die ausstellungsbroschüren auf Französisch (PDF 2,5Mo)
Downloaden die ausstellungsbroschüren auf Englisch (PDF 2,4Mo)
Downloaden die ausstellungsbroschüren auf Deutsch (PDF 570Ko)
 Gustave Doré
Das Rätsel, 1871
Musée d’Orsay, Paris Ankauf durch die Réunion des Musées Nationaux, 1982 dem musée d’Orsayzugewiesen
© RMN-Grand Palais (musée d’Orsay) / Jean Schormans

Ausstellungsschwerpunkte

Frankreich-Deutschland : zwei sichtweisen

Ziel der Ausstellung ist es, den Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871 von zwei Seiten, nämlich sowohl von der französischen wie von der deutschen zu beleuchten. Der Konflikt ebenso wie seine Folgen werden aus der Sichtweise der beiden Kriegsgegner erklärt; die Werke französischer und deutscher Künstler sowie Objekte und Dokumente aus beiden Ländern sollen die Geschehnisse illustrieren und unterlegen. Zu diesem Zweck erfolgte eine enge Zusammenarbeit mit zahlreichen deutschen Institutionen (Deutsches Historisches Museum, Kupferstichkabinett und Alte Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin), die die Ausstellung durch zahlreiche, bedeutende Leihgaben sowie durch Textbeiträge und Katalogeinträge großzügig unterstützen. In einem szenischen Ausstellungsrundgang werden die Werke und Objekte aus deutschen Sammlungen den Exponaten aus französischen Institutionen gegenübergestellt und in Blick genommen. Die Themenschwerpunkte der Ausstellung wurden mit wissenschaftlicher Unterstützung durch französische sowie deutsche Historiker und Konservatoren unter der Leitung von Professor Jean-François Chanet, Rektor der Akademie von Besançon, erarbeitet, darunter Professor Hans Ottomeyer (Professor Emeritus für Neuere Geschichte), Dr. Thomas Weissbrich (Sammlungsleiter am DHM), Dr. Mareike König (Deutsches Forum für Kunstgeschichte) und Dr. Christine Krüger (Universität Gießen).
 Paul Hadol, auch White
Karte von Europa im Jahre 1870 nach einem französischen Holzschnitte, 1870
Stiftung Deutsches Historisches Museum, Berlin
© Deutsches Historisches Museum, Berlin/ I. Desnica

Das besondere ”Annee terrible“

Der Deutsch-Französische Krieg und der anschließende Bürgerkrieg in Frankreich finden unter den Augen von Berichterstattern statt, aber auch von Künstlern, die wie Von Werner und Trübner vom Generalstab beauftragt oder akkreditiert sind, oder wie Meissonier und Manet sich nach dem Vorbild von Carpeaux, Corot oder Menzel als engagierte Zeugen einbringen. Eroberung, Besatzung und ihre Folgen – wie die Organisation der Verteidigung der Städte, Bombenschäden, Gefangene oder Wiederaufbau – werden fotografisch dokumentiert. Als (fast) neues Medium dient die Fotografie auch zur Identifizierung von Toten und Verdächtigen im Rahmen der Prozesse gegen die Kommune. Während die Fotografie als militärisches Instrument sich nur mühsam durchsetzt, wie es Nadar, Ballonfahrer während der ersten Belagerung von Paris, beklagt, dient die In-situ-Fotografie den Malern Detaille und Neuville als Quelle für ihre Panoramagemälde, die durch Wanderausstellungen, aber auch durch Fotoreproduktionen eine internationale Verbreitung finden. Als Instrument wie als Nahrung der Erinnerung an den Konflikt tragen Fotografien, Drucke und Gemälde unvermeidlich zu den unterschiedlichen, widerstreitenden Auslegungen des Krieges bei.

Einige dieser Werke erfahren durch Duplikation von Panoramen, Wanderausstellungen, Reproduktion in Form von Drucken und Fotogravüren eine große internationale Verbreitung in Europa und in Amerika und prägen so die visuelle Erinnerung an Konflikte und Bürgerkriege. Zu den Jahrestagen der Kommune 1896 und 1901 werden eine ganze Reihe von Zeichnungen, Gemälden und Drucken produziert, die sich dieser Bewegung und ihrer Niederschlagung widmen, die bis dahin durch die offizielle republikanische Geschichtsschreibung und ihre Ikonografie unterdrückt wurden. Anarchischen Kreisen nahestehende Künstler wie Luce und Vallotton arbeiten – zuweilen inspiriert von Fotografien der Protagonisten und der Ereignisse – an Werken, deren anklagende Dimension durch die Enthüllung der Dreyfus-Affäre verstärkt wird.
 Croisy Aristide-Onésime
L'Armée de la Loire
Paris, musée de l'Armée
© Paris, musée de l’Armée / Emilie Cambier

Die belagerungen von Paris

Ungeachtet des Sieges der deutschen Armee bei Sedan beschließt die französische republikanische Regierung, die Kämpfe fortzuführen. Daraufhin entscheidet der preußische Generalstabschef von Moltke den Krieg durch die Einnahme von Paris zu beenden. Vom 20. September 1870 bis 28. Januar 1871 belagern bis zu 400.000 deutsche Soldaten die französische Hauptstadt. Im Schutz der gewaltigen Befestigungsanlagen erwarten 1.750.000 Pariser Bürger und 450.000 Bewaffnete den Angriff des Feindes … aber nichts geschieht. Moltke zieht es vor, den Hunger siegen zu lassen, als seine Armee in blutigen Straßenkämpfen aufzureiben. Die Belagerten, insbesondere die ärmsten Bevölkerungsschichten, leiden schwer unter dem strengen Winter 1870/1871; es fehlt an Brennstoff und Nahrung, aber ungebrochen ist die Hoffnung auf einen Erfolg der französischen Armee. Ab dem 5. Januar 1871 werden Paris und die Vorstädte unter schweren Beschuss genommen: Frustriert über den Widerstand der Pariser will der preußische Generalstab die Stadt zur Kapitulation zwingen – jedoch ohne Erfolg. Ende Januar 1871, als die Lage der Pariser zunehmend verzweifelt wird, nimmt die Regierung der nationalen Verteidigung Friedensverhandlungen auf, die der Belagerung von Paris nach 132 Tagen ein Ende setzen. Die Hauptstadt wird wieder versorgt und entgeht einer deutschen Besatzung.

Nach einem Volksaufstand am 18. März 1871 flüchtet die französische Regierung aus Paris nach Versailles. Die Kämpfe beginnen am 21. März. Am 2. April nimmt die französische Armee Courbevoie ein, während am 3. April die Aufständischen mit ihrem Versuch, Versailles zu erobern, scheitern. Ab dem 30. April werden die Forts von Issy und Vanves – zwei Schlüsselpositionen für die Verteidigung von Paris im Südwesten – sowie die verstärkten Festungswälle von annähernd 400 Artilleriegeschützen aus Mont-Valérien und den Höhen von Saint-Cloud, Meudon und Châtillon unter Beschuss genommen. Die Schäden gehen weit über diese Ziele hinaus und betreffen insbesondere die westlichen Stadtteile. Am 21. Mai rückt die französische Armee in Paris ein; es ist der Beginn der Blutigen Woche, während die französische Hauptstadt Viertel um Viertel eingenommen wird. Die Kämpfe enden am 28. Mai mit der Einnahme der letzten Barrikaden in Belleville.
 Mandar et Mugnier
Paris 1871, Bondy Str., 1871
Musée de l’Armée, Paris
© Paris, musée de l’Armée - Dist. RMN-GP / Emilie Cambier

Vergessen verboten!

Bei genauerem Hinsehen ist die Erinnerung an die Kombattanten von 1870/1871 in der Pariser Region durchaus lebendig. In Paris selbst erinnern der Löwe von Belfort und der Place Denfert-Rochereau an den Widerstand der Stadt Belfort und an seinen Kommandanten, während in Champigny-sur-Marne und in Le Bourget Monumente und Gebeinhäuser der dortigen Schlachten gedenken. Das Pariser Geschäftsviertel La Défense ist benannt nach der Bronzeskulptur von Louis-Ernest Barrias La Défense de Paris [Die Verteidigung von Paris], die 1883 in einer Achse zum Triumphbogen zum Gedenken an die Verteidiger der belagerten Hauptstadt errichtet wurde. In Berlin werden die Siegessäule – als nationales Denkmal an die drei Einigungskriege errichtet – und ihre Umgebung im Laufe der Zeit mehrfach umgestaltet und tragen so die Spuren eines verirrten Weltbildes, dessen Ablehnung nach dem Zweiten Weltkrieg heute einem distanzierteren, friedlichen Ansatz gewichen ist. Straßennamen wie Sedanstraße oder Straße der Pariser Kommune erinnern außerdem an die ehemalige Teilung der Stadt in Ost und West.
 Émile Robert
Statue Napoleons I. nach dem Abriss der Colonne Vendôme am 16. Mai 1871, 1871
Sammlung J. Baronnet
© Paris, musée de l’Armée / Pascal Segrette

Die drei deutschen Einigungskriege

Um die deutschen Staaten zu einigen, führt Otto von Bismarck Preußen in drei Kriege, die gemeinhin als Einigungskriege bezeichnet werden.

1864 besiegt Preußen in einer Allianz mit Österreich Dänemark. Die dänischen Herzogtümer Schleswig und Holstein werden unter preußische bzw. österreichische Militärverwaltung gestellt.

1866 führen Spannungen um die angeblich schlechte österreichische Militärverwaltung zu einem Einmarsch preußischer Truppen in Holstein und zum Krieg zwischen Preußen und Österreich. Am 3. Juli 1866 erringt die preußische Armee in der Schlacht von Königgrätz den entscheidenden Sieg. Dieser Erfolg setzt den Einigungsbemühungen in einer großdeutschen Lösung unter Einbeziehung Österreichs endgültig ein Ende und führt zu einer kleindeutschen Lösung unter der Hegemonialmacht Preußen. 1867 wird der Norddeutsche Bund gegründet; die Bildung eines Bundes aller deutschen Staaten ist zunächst gescheitert.

Bismarck vertritt die Ansicht, dass die Einheit Deutschlands nur durch einen Krieg gegen Frankreich zu vollenden sei, ungeachtet der Vorbehalte der süddeutschen Staaten. Mit einem geschickten Manöver provoziert er im Juli 1870 den französischen Kaiser Napoleon III. zur Kriegserklärung und bringt Preußen damit in die Position des Angegriffenen. Die Verteidigungsallianz mit Bayern, Württemberg, Baden und Hessen wird eingehalten, und so stoßen im August 1870 Armeen aus allen deutschen Staaten nach Frankreich vor. Die militärischen Erfolge untermauern die Bismarck’sche Politik; am 18. Januar 1871 erfolgt in Versailles die Proklamation des Kaiserreichs.

Die Einigungskriege werden nach 1871 von Historikern und Journalisten als eine Art Triptychon „errichtet“, um die Zwangsläufigkeit eines geeinten Deutschlands aufzuzeigen und die errungenen Siege zu verherrlichen.

Die kommune

Der Waffenstillstand vom 28. Januar 1871 wird von einem Teil der Pariser Bevölkerung, die den Krieg fortführen will, als Verrat betrachtet. Zudem werden bestimmte Maßnahmen der Regierung – Aufhebung der Mietstundung, Streichung des Solds für Nationalgardisten – kritisiert. Die patriotische Erhebung mündet zusammen mit dem sozialen Aufruhr und einer Revolutionstradition in einen Bürgerkrieg, und nach dem Aufstand vom 18. März 1871 stehen sich die Regierung Thiers, die nach Versailles geflüchtet ist, und die vom Zentralkomitee der Nationalgarde proklamierte Pariser Kommune gegenüber.

Die Stadt wird 72 Tage von einem Kommunerat regiert, dessen Beschlüsse von der Dritten Republik teilweise wieder aufgegriffen werden: Trennung von Staat und Kirche; kostenloses, laizistisches Bildungssystem usw. Ähnliche, wenngleich rasch niedergeschlagene Aufstände gibt es auch in Lyon, Marseille, Le Creusot oder Toulouse. Die Regierung reagiert unmittelbar: Sie lässt Paris von Regierungstruppen stürmen und die Kommunarden verfolgen. Die Stadt wird Viertel um Viertel wieder unter Kontrolle gebracht, und zwar unter den Augen der Deutschen, die die Rückführung gefangener französischer Soldaten für den Regierungseinsatz vereinfachen. Nach der Niederschlagung der Pariser Kommune in der sogenannten Blutigen Woche (21. bis 28. Mai 1871) erwarten die Kommunarden harte Strafen: Festnahmen, Exekutionen, Verurteilung zu Gefängnisstrafen bzw. die Deportation nach Neukaledonien. Durch zwei Gesetze von 1879 und 1880 werden die Kommunarden amnestiert. Am 29. November 2016 werden die Opfer der Pariser Kommune durch die französische Nationalversammlung rehabilitiert.
 Bruno Braquehais
Barrikade in der Rue de Castiglione, 1871
Musée de l’Armée, Paris
© Paris, musée de l’Armée, Dist. RMN-GP / Émilie Cambier